Alles so friedlich hier. Keine Spur von der Hektik der Modebranche. Wind rauscht zaghaft durch hohe Baumwipfel. Der Blick streift vorbei an moderner Einfamilienhausarchitektur. Hier am Stadtrand gegenüber einer Friedhofskapelle hat Philipp Bree den Firmensitz seines jungen Labels PB 0110 untergebracht. Lager für die edlen Hand- und Reisetaschen, Shopper und Rucksäcke ist eine ehemalige Champignonfabrik unweit der Büros.
Philipp Bree schätzt die ruhige Atmosphäre hier. Sie hilft ihm auch, sich vom Trubel der Messen und Meetings in Paris, New York, Florenz, Hongkong, Berlin, Shanghai oder Los Angeles und den ganzen Reisen, die das mit sich bringt, etwas zu erholen. Hannover als Gegenpol zum nervösen Fashion Business.
Geliebtes Objekt: Philipp Bree mit der Tasche, die sein Vater ihm vor 26 Jahren schenkte.
Rund 70 Handelspartner hat PB 0110 bereits weltweit. Mit einem vierköpfigen Team im Start-up-Modus, zu dem auch Brees Ehefrau Vivica gehört, sowie externen Partnern für Marketing und PR werden führende Luxuskaufhäuser und Department Stores beliefert. Darunter Galerie Lafayette, Dipili Boutique, The Broken Arm, Soto Store, Project No. 9, Deuxième Classe, Matches Fashion, Ave oder Tomorrowland und neuerdings auch Andreas Murkudis im Bikini Berlin. Zusätzlich gibt es einen eigenen, dreisprachigen Online-Shop über den weltweit verschickt werden kann.
In Hannover führen Schlösser und Horstmann + Sander die im Oktober 2012 gegründete Marke. Bree war damals aus dem familieneigenen Unternehmen ausgestiegen, das er mit seinem Bruder Axel nach dem frühen Tod des Vaters, der BREE 1970 gegründet hatte, von 2001 bis 2011 führte.
Tilmann Habermas trifft Ayzit Bostan
Die erste PB 0110-Kollektion wurde im Januar 2013 in Paris und Berlin vorgestellt. Das Design hat Philipp Bree von Anfang in externe Hände gegeben. Neben der Münchner Künstlerin und Designerin Ayzit Bostan entwerfen auch Christine Ahrens und Christian Metzner für das Label. Devise: Minimalismus statt Opulenz und bitte keine Effekthascherei.
Produziert wird in ausgewählten, ausschließlich europäischen Manufakturen, die sich seit Generationen auf die Herstellung und Verarbeitung hochwertiger Materialen wie dem pflanzlich gegerbtem Naturleder verstehen. Dazu kommen hochwertiges Leinen und Beschläge aus Vollmessing.
Begleiter für die Ewigkeit
Neben der klassischen Vertriebsarbeit und Organisation, die ein Modeunternehmen mit sich bringt, nutzt Bree das Label auch für Nebenprojekte wie die Geliebten Objekte – eine wachsende Sammlung von persönlichen und ungewöhnlichen Designstücken. Hier schließt sich auch der Kreis zu Brees Firmenphilosohpie. Er glaubt an die Relevanz solcher Geliebter Objekte, an Dinge, die im alltäglichen Gebrauch eine Individualität entwickeln und mit der Zeit zu unverzichtbaren Begleitern werden.
Die Idee zu den Geliebten Objekten entstand bei der Lektüre von Tilmann Habermas‘ gleichnamiger psychoanalytischer Abhandlung. Habermas versucht hier aus vier Perspektiven die motivierenden Wirkungen von Dingen auf das Identitätsgefühl sowie Gegenstände als Teil der räumlichen Umwelt aufzuschlüsseln und diese als Medien und Symbole affektiver Beziehungen zu anderen zu analysieren.
Patina als Erinnerungsspeicher
Philipp Bree dient Habermas als Inspirationsarsenal für eine Art Theorie der Patina. Auch die Taschen von PB 0110 sollen zu Beloved Objects werden, in Würde und Schönheit altern und im Laufe der Jahr jede für sich einen einzigartigen Charakter entwickeln.
„Dieses Phänomen interessiert mich“, sagt er und nennt immer wieder eine Reisetasche, die sein Vater ihm vor 26 Jahren geschenkt hat. Das Thema der Tasche als persönliches Objekt mit Potential an Gebrauchs- und Erinnerungswert soll auch mit den externen Designern kontinuierlich weiter entwickelt werden. Das ein solcher, im Fast-Fashion-Zeitalter fast anachronistisch wirkender Ansatz auch den Absatz schmälern könnte, sorgt Philipp Bree nicht.
„Ich glaube an ein vielfältiges Konsumverhalten“, erklärt der zweifache Familienvater gegenüber hannoverfashionweeks.com. Über die Newcomer-Welle, auf der PB 0110 derzeit noch surft, macht er sich keine Illusionen. Wie nachhaltig das Label sich am internationalen Markt etablieren kann, wird sich erst in den nächsten Saisons zeigen. Am Anfang wollen alle immer erstmal dabei sein, das weiß Bree ganz genau.
Minimalismus in sieben Kollektionen
Die aktuelle, sechste Kollektion „Silver“ besticht durch präzise Details. Silberne Beschläge von Friederike Daumiller ermöglichen als Bindeglied eine neue Vielfalt sowohl für die neuen, als auch für die bereits bestehenden Modelle. Vier neue Farben ergänzen den Ausdruck der Kollektion – intensiv in Royal, Red oder leicht als Salmon und Light Tan.
Die Herrenkollektion ergänzt der Berliner Designer Christian Metzner um zwei neue Accessoires und eine neuen Rucksack. In der Damenkollektion zeigt Ayzit Bostan neue Volumenformen und Konstruktionen. Ebenso für Herbst/Winter 2016/17: Ein kleiner Beutel, eine Clutch, eine Tote Bag und eine große Handtasche verbinden sich in akzentuierter Form und entsprechenden Details.
Ein Rucksack names Espresso von Christine Ahrens.
Der Beutel AB18 CORK aus der Feder von Ayzit Bostan.
Nach abstrakten Formensprachen und intensiven Farbtönen für Frühjahr und Sommer führt die folgende Kollektion AW 16 diesen starken Ausdruck in tiefen, eleganten Farben und Oberflächen fort – eine dichte Intensität aus monochrom matten Lederfarben und einem glänzenden Dunkelbraun, das in der natürlichen Lederfarbe Braun und einem glattem Finish subtil einen eleganten Look verleiht.
So kann es weiter gehen. Philipp Bree hat in gerade mal drei Jahren ein bewundernswertes, tragfähiges Fundament für sein eigenes Taschen- und Accessoire-Label geschaffen. Trotz aller Unwägbarkeiten des Marktes dürfte PB 0110 so noch eine spannende Unternehmensgeschichte bevor stehen. Wir bleiben dran!
Bilder: PB 0110, Vannessa Maas/Glampool, hannoverfashionweeks.com/Rüdiger Oberschür